Im Alter von knapp drei Jahren ist bei meiner Silla *2000, Katarakt diagnostiziert worden. Winzig klein und die Lage atypisch (posterior cortex, punct. sign. unknown).

Ein Jahr später, nach dem Kontroll-Untersuch, ist Silla für die Zucht frei gegeben worden (und Silla sieht heute mit über 10 Jahren immer noch perfekt).

In der Zwischenzeit habe ich mich auf diesem Thema weiter gebildet. Ich wollte wissen, was eine Katarakt ( gr. katarrhaktes = herabstürzend, f.) ist.

Bei CERF (Canine Eye Registration Foundation) habe ich Statistiken bestellt, damit ich sehen kann ob Linsentrübungen bei unseren Cattledogs verbreitet sind.

Verschiedene amerikanische Ophthalmologen (Augenärzte) haben mir bestätigt, dass die Katarakt bei ACDs kein grosses Problem ist.

Professor Dr. Bernhard M. Spiess, Dipl. ACVO/ECVO,
von der Universität Zürich, hat sich freundlicherweise bereit erklärt, meine Fragen zu diesem Thema zu beantworten:

EHW: Was ist Katarakt?
BS: Eine Katarakt (oder grauer Star) ist eine Trübung der Linse oder ihrer Kapsel.

EHW: Ist Katarakt erblich?
BS: Bei vielen Hunderassen sind Katarakte erblich.
Es gibt aber auch andere, nicht vererbte Ursachen des grauen Stars, wie z.B. Diabetes mellitus ( Zuckerkrankheit) oder Verletzungen.

EHW: Von welchen Erscheinungsformen nimmt man an, dass sie erblich sind?
BS: Ererbte Katarakte haben bei der jeweiligen Hunderasse immer ein typisches Aussehen und auch ein typisches Alter des Auftretens.

Vielen Hunderassen gemeinsam sind z.B. Trübungen des hinteren Linsenpols (Polstar, Polar Cataract). In der Mehrzahl der Fälle führen diese Katarakte zu keinen oder nur zu unwesentlichen Sehstörungen. Abb1, Abb2.





Abb.1 Nahtstar





Abb.2 Polstar, mit der klassischen dreieckigen Form.



In rund 8% entwickeln sich aber reife Katarakte (Mature Cataract) mit erheblichen Sehstörungen. Abb.3





Abb.3

reife Katarakt



EHW: Welche Katarakte führen zum Zucht-Ausschluss?

BS: Grundsätzlich führt jede Katarakt zum Zucht-Ausschluss.

Man kann davon ausgehen, dass beidseitig auftretende, symmetrische Linsentrübungen vererbt sind. Weltweit werden in dieser Form betroffene Hunde von der Zucht ausgeschlossen. Dies, obschon man im Einzelfall nie ganz sicher sein kann, ob es sich wirklich um eine vererbte Katarakt handelt.


EHW: Mit welchen Katarakten darf gezüchtet werden?

BS: Einseitige, kleine Linsentrübungen (Cortical Cataract) werden im allgemeinen auf Zusehen hin toleriert und führen nicht automatisch zum Zucht-Ausschluss. Abb.4

Ebenfalls nicht zum Zucht-Ausschluss führen Katarakte, welche mit Sicherheit nicht vererbt sind, sondern andere bekannte Ursachen haben.





Abb.4

einseitige, kleine Linsentrübung (Cortical Cataract



EHW: Wird es bald einen Gen-Test geben?
BS: Es ist nicht anzunehmen, dass für Katarakte in absehbarer Zeit ein Gen-Test entwickelt wird. Die Forschungsanstrengungen konzentrieren sich auf die Augenkrankheit PRA, weil es dafür – im Gegensatz zu Katarakt – keine Behandlung gibt.
(Anm. EHW: für die ACD gibt es einen prcd-PRA Gen-Test).

Normalerweise werden Zuchtverbände aktiv, wenn in einer Linie oder Zucht die Häufigkeit eines bestimmten Startyps 1% erreicht.

In jeder Rasse, auch bei Mischlingen, werden gelegentlich Katarakte gesehen. Die Häufigkeit bewegt sich oft unter 0. 3%.

EHW: Ist Katarakt im Zusammenhang mit PRCD beobachtet worden?
BS: Bei einigen Rassen führt die Netzhautdegeneration (PRA) auch zu einer Linsentrübung. Das ist sehr häufig beim Pudel zu beobachten. Aus diesem Grund muss vor einer allfälligen Staroperation immer die Netzhaut geprüft werden.

EHW: Vielen Dank Herr Professor Spiess, für die ausführlichen Erklärungen und die Fotos!


Weitere Informationen:
Ich habe die CERF-Statistik auf die Häufigkeit von reifen Katarakten (Mature Cataract) analysiert. Abb3.

Im Zeitraum von 1991 bis 2002 sind 2'390 Augenuntersuchungen durchgeführt worden.

Befallene Hunde: 6.

Das heisst, in zwölf Jahren sind nur sechs ACDs an einer Katarakt erblindet. Aus der Statistik ist leider nicht ersichtlich, ob diese sechs hochgradigen Linsen-Trübungen einen Zusammenhang mit PRCD gehabt haben.

In der Tendenz werden die meisten Linsentrübungen im hinteren Teil der Kapsel diagnostiziert (posterior cortex intermediate). Es existieren andere Typen, aber eine klar definierte Erscheinungsform einer erblichen Katarakt ist im jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt beim ACD.

Dr. Greg Acland vom Baker Institute, Cornell University, ist ja „unser PRCD-Forscher" und sicher DER Ophthalmologe, der die meisten ACDs untersucht hat! Es ist ihm kein Cattle Dog bekannt, der mit einer Polstar Diagnose erblindet ist. Abb.2

Ph.D. Camille A. Mauzy (Mitarbeiterin von Dr. Brewer, Uni Michigan) hat bestätigt, dass der ACD nicht zu den Katarakt gefährdeten Rassen gehört. Im Moment gibt es 66 Rassen mit einem erhöhten Auftreten von Linsentrübungen!

Das ist die Zusammenfassung meiner gesammelten Information. Interessierte können den „CERF-break-down-report" oder die Emails mit den Forschern gerne bei mir einsehen.

Ich stelle fest, dass im Moment ganz Europa mit den wenigen prcd-PRA-A getesteten Rüden züchtet. Leider wird sich dies negativ auf die angestrebte genetische Vielfalt auswirken.

Wir können es uns nicht leisten, wertvolle Hunde wegen einer kleinen, atypischen Linsentrübung aus der Zucht aus zu schliessen. Der ACD besteht nicht nur aus Augen...

Hunde mit einer diagnostizierten, tolerierten Katarakt müssen vorsichtshalber mit einem klinisch freien Tier verpaart werden.

Darum wünsche ich mir ehrliche, offene Züchter, damit wir gemeinsam den europäischen Cattledog-Genpool vergrössern können. Denn nur so können wir gesunde, fröhliche, arbeitsfähige und schöne ACDs züchten!

Eva Holderegger Walser

Artikel publiziert im ACD-Brief des ACDCD, März 2004


















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© Eva Holderegger Walser