Seit fast einem Jahr besitze ich das neueste Cattledog-Buch „A Dog called Blue".

Es ist definitiv kein Buch, das im Regal still vor sich hin staubt. Nein, es liegt stets griffbereit, und immer wieder lese ich etwas nach und schaue mir die vielen faszinierenden, teilweise sehr alten Fotos an.

Obwohl Noreen seit 1982 ihre Tirlta-ACD züchtet, ist dieses Buch keine Werbebroschüre für ihren Zwinger.
Das Buch beginnt mit der spannenden Geschichte der Siedlerfamilie Hall um das Jahr 1830, anschaulich dargestellt mit Originalbildern und Schriftstücken.
Dann folgt die Geschichte von Robert
Kaleski, dem Mann, dem ACD, Stumpy Tail Cattle Dogs und Kelpies ihren ersten Standard zu verdanken haben!
Aber stimmt nun wirklich alles, was wir bis jetzt über Cattledogs gelesen und gehört haben?
Dalmatiner-Blut soll in unseren Hunden rinnen?
Wirklich?
Noreen ist diesem Mythos nachgegangen.
Weiter finden wir sämtliche Rassestandards von 1903 bis 1981 aufgeführt und die „Verbesserungen" werden erklärt.
Auch Farb-Genetik-Fans kommen in diesem Buch voll auf die Rechnung, weil der ACD spezifisch erklärt wird.
Ein weiterer grosser Teil ist auch dem bei uns fast nicht bekannten Stumpy Tail Cattle Dog gewidmet.

Ich kann dieses Buch allen Cattle Dog-Fans sehr empfehlen (keine Angst, ich habe keine Gewinnbeteiligung). Leider ist "A Dog Called Blue" nur in englischer Sprache erhältlich, jedoch hat sich Noreen bereit erklärt, mir das folgende Interview zu ihrem Buch zu gewähren:


EHW: Noreen, was hat sie zum Schreiben dieses Buches bewegt?



NC: Ganz einfach: Ist man mit etwas unzufrieden, so hat man die Wahl es zu akzeptieren oder es besser zu machen. Ich war unzufrieden mit den Informationen über die Geschichte und Entwicklung des ACD, und ich war sicher, einen besseren Job machen zu können.

Alles, was während der letzten 50 Jahre über den ACD geschrieben worden ist, basiert auf den späteren Publikationen von Robert Kaleski. Es gibt aber viel frühere Artikel, der erste aus dem Jahre 1903. So habe ich recherchiert und habe alle alten Artikel in chronologischer Reihenfolge gelesen. Dabei ist mir aufgefallen, dass neuere Publikationen nach 1920 den vorgängigen teilweise widersprechen! Ich glaube, dass Kaleski manchmal Informationen „erfunden" hat, um den Cattle Dog interessanter zu machen.

Robert Kaleski war ein beachtenswerter Mann. Von 1900 bis zu seinem Tod im Jahre 1961 hat er sich unermüdlich für den Australian Cattle Dog eingesetzt. Ohne seine Begeisterung und Liebe zu den ACD hätte die Rasse möglicherweise nicht überlebt.

Leider haben aber einige seiner „Geschichten" über die Entstehung und Entwicklung für etliche Verwirrung gesorgt.



EHW: Welches sind die Ahnen des ACD?



NC: Nachforschungen über die Geschichte der Hall-Familie (in Australien und in Nord-England) haben ergeben, dass Thomas Hall um 1830 blaue" Drover Dogs" (eine Art Collie) aus Northumberland (GB) importiert hatte. Thomas Hall hat diese „Drover Dogs"in der Folge mit Dingos gekreuzt. Ca. 1840 hat Hall eine Arbeitshunde-Rasse entwickelt, die geeignet war, im australischen Klima hart zu arbeiten.

Nach 1890 hat es sicher Einkreuzungen von anderen Arbeitshunden in den Halls Heeler gegeben. R. Kaleski hat den Bull Terrier und den Kelpie erwähnt. Ich denke, der Halls Heeler und der Kelpie sind die wichtigsten Ahnen in der Entwicklung des ACD.



EHW: Warum glauben Sie, ist der Dalmatiner nicht eingekreuzt worden?



NC: Der Dalmatiner ist kein Arbeitshund. Und es ist nicht logisch anzunehmen, dass Züchter von Arbeithunden den Dalmatiner in eine Arbeitshunderasse einkreuzen wollten. Kaleski hat den Dalmatiner erst im Jahre 1926 erwähnt.

Kaleski war besessen von Aehnlichkeiten und darum hat er möglicherweise den Dalmatiner erfunden, um das gesprenkelte Fell des ACD zu erklären. Zusätzlich wissen wir, dass die Tüpfelung im Dalmatiner durch ein anderes Gen verursacht wird, wie „mottle" oder „speckle" im ACD.



EHW: Woher hat dann der ACD-Welpe seine weisse Färbung und die Tendenz zur Taubheit?



NC: Die weisse Farbe kommt von den Ahnen der Drover-Dogs, die Th. Hall importiert hatte.

Während der Entwicklung des Welpen (vor und nach der Geburt) beginnen verschiedene Gene zu bestimmten Zeitpunkten zu funktionieren. Im ACD beginnt das „Ticking-Gen" (verantwortliches Gen für die charakteristische Färbung der ACD) erst nach der Geburt zu „arbeiten". So ist der ACD eigentlich ein weisser Hund, mit voll pigmentierten Kopf – und/ oder Körperflecken.

Wir wissen, dass Taubheit mit einem Pigment-Mangel im Ohr in Zusammenhang gebracht wird. Folgedessen haben ACD ( und andere im Grunde genommen weisse Hunde wie Bull Terrier oder Dalmatiner) die Tendenz zu Taubheit.



EHW: Die ACDs sind in ihrem Buch in drei Typen eingeteilt...



NC: Meine Lehrerin und Freundin Dr. Helen Hewson-Fruend hat in diesem exzellenten Kapitel drei ACD-Typen unterschieden:

- Kaleski-type (Kalesky-Typ)

- Heavier-bodied, shorter-legged-type (Schwerer Körper, kürzere Beine- Typ)

- Intermediate type (Zwischen-Typ

„Kalesky-Typen" sind ACD aus anfangs 1900, beispielsweise Nipper (Abb.1) oder auch spätere Hunde wie Kalamunda Rex Regis (Abb.4).

Ein „Heavier-bodied, shorter-legged-type" ist Logic Return (Abb.3). Also Hunde mit schwererem Körberbau und kürzeren Beinen.

Der „Intermediate-type" liegt dazwischen. Little Logic (Abb.2) ist ein wunderschönes Exemplar dieses Zwischen-Typs, und es ist der Typ ACD, der im Rasse-Standard beschrieben ist.



EHW: Haben Standard-Aenderungen diesen Typenwechsel beeinflusst?



Kaleski-Typ

Nipper (1899)

Kaleski-Typ

Kalamunda Rex Regis 1949
Zwischen-Typ

Little Logic (1939)
Kurzbeiniger, schwerer Typ

Logic Return (1949)
       


NC: Der Rasse-Standard hat sich nur sehr wenig verändert seit 1931, und er beschreibt wie gesagt „Little Logic", den Zwischentyp. Im Showring heutzutage sieht man, dass sich aber der Rasse-Typ verändert hat in Richtung „heavier-bodied, shorter-legged type" .

Richter und Züchter sind sich mittlerweilen gewöhnt an das schwerere Erscheinungsbild und glauben, dass dieser Typ korrekt sei! Wenn ein schwerer, kurzbeiniger Hund Erfolg im Show-Ring hat und viele BOB gewinnt, dann beginnen die Züchter ihre Zucht in diese Richtung zu verändern, weil sie glauben, dieser Typ Hund sei vorzüglich. Dr. Hewson-Fruend nennt dies „type creep", frei übersetzt als „schleichende Typenveränderung".



EHW: Was für einen Einfluss hatte der 2. Weltkrieg auf unsere Hunderasse?



NC: Von 1942 bis 1946 wurden die Royal-Shows eingestellt. Aus verschiedenen Gründen wurden bei der Wiedereröffnung im Jahre 1947 viele alte „Vor-Kriegs-Züchter" nicht mehr gesehen. Das soziale und wirtschaftliche Klima in Australien hat sich nach dem Krieg stark verändert. Die meisten Australier hatten mehr Geld zum Ausgeben, und die europäischen Immigranten machten ihnen vor, wie man das Geld gut ausgeben konnte. Australien wurde internationaler. Hundeausstellungen wurden beliebt als Unterhaltung und bekamen viele neue Teilnehmer.

Auf diesen Hundeausstellungen haben die ACD-Züchter erstmals Nachkommen von Little Logic gesehen, und daraufhin wurde Little Logic (Abb.2) zum beliebtesten, sehr oft verwendeten Zuchtrüden. Einige der Züchter waren auch ganz begeistert von Logic Return (Abb.3), obwohl er nach dem Rasse-Standard nicht korrekt gebaut war. Und so begann der „Heavier-bodied, shorter-legged-type", also der dicke, kurzbeinige ACD den Show-Ring zu dominieren.

Die Popularität von Little Logic und seinem Sohn Logic Return bewirkten eine Verkleinerung des Genpools, und das war möglicherweise der Grund für die starke Verbreitung von PRA in ACD. Analysen der Stammbäume haben ergeben, dass Little Logic und/oder Logic Return vermutlich PRCD-B, also Träger war(en).




EHW: Welcher Typ ACD wird heute in Australien favorisiert?



NC: Viele der ausgestellten Hunde sind „Heavier-bodied,shorter-legged-type", weil Richter selten ACD mit korrekten 9:10 Proportionen sehen. So erkennen sie den schweren, kurzbeinigen Typ nicht als „unkorrekt".



EHW: Und welches ist Ihr persönlicher Traumhund in Ihrem Buch?





NC: Little Logic (Abb.2). Wer sonst? Ich bin ganz begeistert von der Ausstrahlung und dem schönen, ausgewogenen Körperbau dieses Hundes. Ich kann mich nicht mit den schweren, kurzbeinigeren Hunden anfreunden.



Vielen Dank, Noreen, für dieses Interview.

Bestellt werden kann das Buch unter:
www.adcb.au.com

Eva Holderegger Walser
Artikel publiziert im ACD-Brief des ACDCD, Dezember 2004




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© Eva Holderegger Walser